Das Wichtigste in Kürze
- Grundsätzliche Voraussetzungen für den Rücktritt von der Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit: unverzügliche und eindeutige Rücktrittserklärung gegenüber der Prüfungsbehörde (z.B. Prüfungsamt, Prüfungsausschuss), Gründe darlegen und glaubhaft machen u.a. durch amtsärztliches Attest oder ein ärztliches Attest, gegebenenfalls zusätzlich Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung bzw. Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit einreichen
- Ausnahmefall: Nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit
Rücktritt von der Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit
Merkt der Prüfling, Student, Schüler, Auszubildender, dass er prüfungsunfähig ist oder hält er sich für prüfungsunfähig, dann kann er unter bestimmten Umständen von der Prüfung zurücktreten. Die Voraussetzungen für den Rücktritt von der Prüfung und die Rücktrittserklärung wegen Prüfungsunfähigkeit sind in den Prüfungsordnungen der Universitäten, Hochschulen (z.B. TH Köln), Industrie- und Handelskammer (IHK), Handwerkskammer (HWK), usw. oder Schulgesetzen/Rechtsverordnungen geregelt. So stellt z.B. § 64 Abs. 2 Hochschulgesetz Nordrhein-Westfalen (HG NRW) fest:
„Hochschulprüfungsordnungen müssen insbesondere regeln: (…) 8. die Folgen der Nichterbringung von Prüfungsleistungen und des Rücktritts von einer Prüfung sowie das innerhalb der Hochschule einheitlich geregelte Nähere zur Art und Weise der Erbringung des Nachweises der krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit“.
Bei den Voraussetzungen für den Rücktritt von der Prüfung und die Rücktrittserklärung wegen Prüfungsunfähigkeit gibt es eine Vielzahl von Besonderheiten, die für einen wirksamen Rücktritt zu berücksichtigen sind.
So muss der Prüfling, also z.B. Student, den Rücktritt eindeutig und gegenüber der richtigen Stelle erklärt und zudem seine Rücktrittsgründe unverzüglich angezeigt und glaubhaft machen.
1. Allgemeine Voraussetzungen
a. Rücktrittserklärung
Die Rücktrittserklärung muss dabei eindeutig den Willen zum Ausdruck bringen, dass die Prüfung oder ein bestimmter Prüfungsteil nicht fortgesetzt werden oder dass eine bereits erbrachte Prüfungsleistung nicht gelten soll. Das bedeutet, dass der Prüfling, Student, Schüler, Auszubildender, z.B. die (nicht bestandene) Klausur, Klausuren oder die (nicht bestandene) Seminararbeit mit der genauen Modulbezeichnung und dem genauen Prüfungstermin benennen muss, damit ersichtlich wird, welche Prüfung gemeint ist.
b. Gründe darlegen und glaubhaft machen – amtsärztliches Attest oder ein ärztliches Attest
Zudem muss der Prüfling, Student usw. genau darlegen und glaubhaft machen, aus welchen eichten Gründen er von der Prüfung zurücktreten will, also warum er z.B. prüfungsunfähig ist oder war. Nach den Prüfungsordnungen der Universitäten und Hochschulen erfolgt das regelmäßig dadurch, dass der Prüfling unverzüglich ein amtsärztliches Attest oder ein ärztliches Attest bei der Prüfungsbehörde einreichen muss. In diesem Attest müssen die leistungseinschränkenden Krankheitssymptome zum Zeitpunkt der Prüfung oder Prüfungstage aufgeführt sein. Die Ausführungen (Einzeiler oder Zweizeiler) des Arztes, dass der Prüfling „prüfungsunfähig“ gewesen sei, reichen nicht aus. Denn über die Prüfungsunfähigkeit entscheidet nicht der Arzt, sondern das Prüfungsamt.
c. Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung – Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit
Einige Hochschulen und Universitäten verlangen zudem, dass der Prüfling, Student oder die Studentin (auch) eine Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung oder Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit beim Prüfungsamt, Prüfungssekretariat usw. innerhalb einer bestimmten Frist einreicht. Deshalb sollte der Prüfling immer in der Prüfungsordnung nachschauen und prüfen, ob die jeweilige Hochschule, Universität oder Prüfungsbehörde die Einreichung einer solchen Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung oder Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit verlangt. Wenn dies verlangt wird, dann halten die jeweiligen Hochschulen, Universitäten und Prüfungsbehörden fast immer Formulare, Muster und Vordrucke hierfür zum downloaden bereit. Diese sollte man dann verwende und fristgerecht (mit dem ärztlichen Attest) einreichen.
d. Prüfungsamt
Die Rücktrittserklärung ist grundsätzlich gegenüber dem Prüfungsamt (und dort dem Prüfungsamtsvorsitzenden) zu erklären, also regelmäßig nicht z.B. gegenüber der in der Prüfung aufsichtsführenden Person/wissenschaftlicher Mitarbeiter. Es wird aber teilweise angenommen, dass die aufsichtsführende Person verpflichtet ist, die Rücktrittserklärung an die richtige Person bzw. Behörde weiterzuleiten.
e. „unverzüglich“
Der Prüfling ist regelmäßig auch verpflichtet „unverzüglich“ den Rücktritt von der Prüfung zu erklären. Nach der Rechtsprechung der Gerichte ist eine Rücktrittserklärung nur dann „unverzüglich“, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern abgegeben wurde, also zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem sie zumutbarerweise hätte erwartet werden können. Kommt der Prüfling, Student, Schüler, Auszubildende usw. diesem Erfordernis nicht nach, dann kann ein wirksamer Rücktritt unter Umständen bereits ausgeschlossen sein und die Prüfungsbehörde lehnt diesen ab. Der Prüfling darf dann die Prüfung nicht mehr wiederholen.
Weitere Besonderheiten bestehen z.B. hinsichtlich der Frage, wann und ob es sich der Prüfling zurechnen lassen muss, dass er schon wusste oder hätte wissen müssen, dass er krank ist bzw. krank und damit gegebenenfalls prüfungsunfähig in die Prüfung geht. In diesem Zusammenhang wird nämlich teilweise ein Rücktritt von den Gerichten ausgeschlossen.
f. Kurze Zusammenfassung
- Prüfling, Student, usw. muss den Rücktritt eindeutig erklären
- Er muss die Rücktrittsgründe angezeigt und glaubhaft gemacht machen (ggf. durch Amts-ärztliches Attest)
- Erklärung gegenüber der richtigen Stelle – Prüfungsamt
- „unverzügliche“ Geltendmachung und Erklärung
2. Ausnahmefall – Nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit
Grundsätzlich muss ein Rücktritt von einer Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit nach der Rechtsprechung der Gerichte, unverzüglich und bis allerspätestens vor dem Zeitpunkt der Ergebnisbekanntgabe erfolgen. Nach der Ergebnisbekanntgabe ist damit ein Rücktritt grundsätzlich ausgeschlossen. Damit soll nach Auffassung der Gerichte verhindert werden, dass der Prüfling das Ergebnis abwartet und schaut, ob er die Prüfung bestanden hat und wenn er die Prüfung nicht bestanden hat, sich auf die Prüfungsunfähigkeit beruft und damit einen weiteren Prüfungsversuch erhält (Argument: Gleichbehandlungsgrundsatz).
Ausnahmsweise und unter Vorliegen bestimmte Umstände, ist in Einzelfällen jedoch auch ein nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit möglich.
So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (vorhergehend: VG München, 24. April 2018, M 3 K 17.3750) am 14.07.2020 (AZ: 7 ZB 18.1248) festgestellt, dass auch noch nach der Ergebnismitteilung ein nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit ausnahmsweise möglich ist.
In dem besagten Fall wurde ca. 3 Monate nach der Prüfung und ca. 5 Wochen nach der Mitteilung des Nichtbestehens der Modulprüfung und damit des endgültigen Nichtbestehens des Bachelorstudiengangs der Rücktritt von der Prüfung erklärt. Der Prüfling hatte ausgeführt, dass er zum Zeitpunkt der Prüfung prüfungsunfähig gewesen sei und dies erst nach der Prüfung, in den sich anschließenden Psychotherapiesitzungen, erkannt habe. Der Rücktritt sei deshalb auch unverzüglich nach dieser Erkenntnis erfolgt.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat insofern u.a. ausgeführt:
„Die Klägerin studiert seit 2013 bei der Beklagten im Bachelor-Studiengang Wirtschafts- und Organisationswissenschaften. Am 8. Januar 2016 legte sie die zweite Wiederholung der streitgegenständlichen Modulprüfung Rechnungswesen ohne Erfolg ab. Daraufhin teilte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 29. Februar 2016 mit, dass sie ihren Prüfungsanspruch nach § 13 Abs. 1 der Allgemeinen Prüfungsordnung für die universitären Bachelor- und Masterstudiengänge der Universität der Bundeswehr München vom Oktober 2011 (ABaMaPO) verloren habe. Sie habe sowohl die Modulprüfung Rechnungswesen als auch die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. April 2016, bei der Beklagten am 9. April 2016 eingegangen, erhob sie hiergegen Widerspruch, erklärte gleichzeitig ihren Rücktritt von der Modulprüfung Rechnungswesen und begründete diesen damit, dass sie unerkannt prüfungsunfähig gewesen sei. Sie legte eine ärztliche Bescheinigung vor. Die Beklagte erkannte den Rücktritt der Klägerin von der Modulprüfung Rechnungswesen nicht an (…).
a) Das Verwaltungsgericht kommt in der angefochtenen Entscheidung zum Ergebnis, dass die Klägerin unter Beachtung des ihr von der Beklagten vorgegebenen Prozedere nachweisen konnte, dass sie im Zeitpunkt der Prüfung Rechnungswesen (8.1.2016) prüfungsunfähig war und dies erst nach Beginn ihrer Psychotherapiesitzungen im März 2016 erkennen konnte. Zur Begründung dieser Überzeugung stützt es sich insbesondere auf die Stellungnahme des Oberfeldarztes Dr. L. (v. 2.3.2017) und dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2018 sowie auf die Atteste der Psychologin C.L. (v. 16.3.2016), bei der die Klägerin in psychotherapeutischer Behandlung war.
b) Die Klägerin konnte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 8. April 2016 wirksam von der bereits abgelegten Modulprüfung Rechnungswesen zurücktreten. Der nachträgliche Rücktritt von einer Prüfung ist unverzüglich zu erklären. Dieses Erfordernis gründet in dem berechtigten Anliegen, der missbräuchlichen Erlangung eines Vorteils vorzubeugen und der Prüfungsbehörde zu ermöglichen, den Sachverhalt möglichst zeitnah aufzuklären. Unverzüglichkeit bedeutet dabei „ohne schuldhaftes Zögern“. Das heißt, dass der Rücktritt zum frühestmöglichen Zeitpunkt erklärt werden muss. Im Fall einer unerkannten Prüfungsunfähigkeit ist dies der Moment, in dem diese erkannt wird“.
Es kann also auch in absoluten Ausnahmefällen und bei Vorliegen besonderer Umstände ein nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit möglich sein.
Unsere Spezialisierung und Erfahrung – Ihr Vorteil!
Aufgrund langjähriger Erfahrungen und einer Vielzahl von deutschlandweit erfolgreich geführten Verfahren, verfügen wir über eine ausgewiesene Expertise im Prüfungsrecht. Wir vertreten Sie gerne deutschlandweit. Aufgrund des Sitzes unserer Kanzlei in Köln und der örtlichen Nähe zu einer Vielzahl von großen und bekannten Hochschulen und Universitäten sowie Städten u.a. Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Duisburg, Bochum, Wuppertal, Bielefeld, Bonn, Münster, Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Aachen, Krefeld, Oberhausen, Hagen, Hamm, Mülheim an der Ruhr, Leverkusen, Solingen, Herne, Neuss, Paderborn, Bottrop, Recklinghausen, Remscheid, Bergisch Gladbach, Moers, Siegen, Witten, erfolgt der größte Anteil der von uns durchgeführten Prüfungsanfechtungen in Nordrhein-Westfalen.
Sie haben Fragen zum Rücktritt von der Prüfung oder Rücktrittserklärung wegen Prüfungsunfähigkeit? Dann sprechen Sie uns gerne an. Rechtsanwalt Dr. Winkler ist auf Prüfungsrecht spezialisiert. Wir beraten Sie umfassend und helfen Ihnen Ihre rechtlichen Interessen geltend zu machen.