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Prüfungsunfähigkeit wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen

Das Wichtigste in Kürze
  • Eine Prüfungsunfähigkeit liegt vor, wenn die zu prüfende Leistungsfähigkeit des Prüflings durch eine Gesundheitsstörung erheblich beeinträchtigt oder gemindert ist
  • Dauerleiden oder Dauererkrankungen führen grundsätzlich nicht zu einer Prüfungsunfähigkeit
  • Die Bedeutung der Kenntnis des Prüflings von der Prüfungsunfähigkeit (vor, während, nach der Prüfung)
  • Unverzüglichkeit der Krankmeldung und Abgabe des (amts-) ärztlichen Attestes
  • Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung, Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit
  • Ausnahmefall – Nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit
Prüfungsunfähigkeit wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen

Jeder Schüler, Student, Auszubildende muss im Laufe oder am Ende seiner Schullaufbahn, seines Studiums oder seiner Ausbildung Prüfungen absolvieren. In diesem Zusammenhang kann es immer wieder vorkommen, dass der Prüfling aufgrund einer Krankheit oder aus sonstigen Gründen prüfungsunfähig (Prüfungsunfähigkeit) ist oder wird und nicht an der Prüfung teilnehmen kann oder die Prüfung abbrechen muss. Es ist sogar möglich, dass der Prüfling nach einer geschriebenen Prüfung merkt, dass er bei der Prüfung prüfungsunfähig war.

Dann stellt sich zunächst die für den Prüfling wichtige Frage, wann eine Prüfungsunfähigkeit angenommen werden kann und, ob diese im konkreten Fall vorliegt, denn der Prüfling, Student usw. ist gegenüber dem Prüfungsamt darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er prüfungsunfähig ist.

1. Wann liegt eine Prüfungsunfähigkeit wegen Krankheit vor?

Nach der Rechtsprechung liegt eine „krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit“ vor, „wenn die zu prüfende Leistungsfähigkeit des Kandidaten durch eine Gesundheitsstörung erheblich beeinträchtigt oder gemindert ist“.

Ob eine solche krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit tatsächlich vorliegt, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Es lässt sich also grundsätzlich keine allgemeine Aussage hierzu treffen.

2. Dauerleiden und Dauererkrankung

Oftmals wird von Prüfungsbehörden z.B. dem Landesprüfungsamt für Medizin – Bezirksregierung LPA und dem Amtsarzt mittels amtsärztlichem Attest, fehlerhaft ein Dauerleiden oder Dauererkrankung angenommen und damit eine Prüfungsunfähigkeit und ein Rücktritt von der Prüfung ausgeschlossen, sodass der Prüfling einen Fehlversuch erhält oder sogar die Prüfung endgültig nicht bestanden hat. Denn auch wenn nach Auffassung der Gerichte ein Dauerleiden (z.B. Prüfungsangst) prüfungsrechtlich unbeachtlich ist und keine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit darstellt (da ein Dauerleiden eine persönlichkeitsbedingte Eigenschaft des Prüflings ist, die seine Leistungsfähigkeit prägt und das normale Leistungsbild wiederspiegelt), so werden hier von den Prüfungsbehörden viele Fehler gemacht und rechtswidrige Bescheide versandt. Es lohnt sich daher immer Entscheidungen und Bescheide der Prüfungsbehörden hinsichtlich der Annahme eines Dauerleidens oder einer Dauererkrankung z.B. Migräne, Essstörungen usw. genau zu prüfen.

So konnte Rechtsanwalt Dr. Winkler schon einige rechtswidrige Entscheidungen von Prüfungsbehörden (u.a. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung, Landesprüfungsamt LPA) hinsichtlich von Dauerleiden oder Dauererkrankungen aufheben lassen, sodass die Prüflinge ihr Studium erfolgreich weiter fortsetzten konnten.

3. Kenntnis von der Prüfungsunfähigkeit (vor, während, nach der Prüfung)

Der Prüfling muss zudem Kenntnis von seiner Prüfungsunfähigkeit haben. Wann diese der Fall ist, hat die Rechtsprechung festgestellt. Danach hat der Prüfling bereits dann Kenntnis von seiner Prüfungsunfähigkeit, „wenn ihm sein gesundheitlicher Zustand in den wesentlichen Merkmalen bewusst ist und er die Auswirkungen der Erkrankung auf seine Leistungsfähigkeit im Sinne einer „Parallelwertung in der Laiensphäre“ erfasst“. Es muss ihm dabei also nicht genau bekannt sein, welche Krankheit er hat bzw. seine krankheitsbedingte Ursache.

Wenn der Prüfling keine erhebliche Verminderung seines Leistungsvermögens bemerkt, dann ist er regelmäßig prüfungsfähig. Auch offene oder latente Krankheiten führen zu keiner Prüfungsunfähigkeit, solange das Leistungsvermögen dadurch nicht oder nur unerheblich beeinträchtigt ist.

Eine unerkannte Prüfungsunfähigkeit liegt nur dann gegebenenfalls vor, wenn der Prüfling nicht die Symptome der Prüfungsunfähigkeit erkennen konnte oder zwar Krankheitssymptome verspürte aber in entschuldbarer Weise verkannte.

Vor der Prüfung ist ein Rücktritt nach den Prüfungsordnungen, meist innerhalb einer bestimmten Frist, regelmäßig ohne Nennung von Gründen möglich. Ist die Frist abgelaufen und erkennt der Prüfling (Student, Schüler, Auszubildender usw.), dass er prüfungsunfähig ist, dann kann er auch nach Ablauf der Rücktrittsfrist aufgrund der Prüfungsunfähigkeit von der angemeldeten Prüfung zurücktreten – dann meistens unter Vorlage eines amtsärztlichen/ärztlichen Attests.

Erkennt der Prüfling während der Prüfung, dass er prüfungsunfähig ist, dann muss er diese noch in der Prüfung anzeigen und seinen Rücktritt von der Prüfung gegenüber der zuständigen Stellen (meist Prüfungsausschuss) erklären und mittels ärztlichem Attest glaubhaft machen und nachweisen.

Nach Abschluss der Prüfung, ist ein Rücktritt unverzüglich anzuzeigen und dies ebenfalls durch ein ärztliches Attest gegenüber der Prüfungsbehörde/dem Prüfungsausschuss glaubhaft zu machen und nachzuweisen. Die Gerichte stellen hier strenge Maßstäbe auf, damit Missbrauch verhindert wird und der Prüfling, z.B. Student gegenüber anderen Prüflingen keinen Vorteil dadurch erlangen kann, indem er sich auf eine krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit berufen und dadurch rechtswidrig noch einen Wiederholungsversuch bekommen.

4. Ärztliches Attest

Der Prüfling ist darlegungs- und beweispflichtig, dass er krankheitsbedingt oder aus sonstigen Gründen prüfungsunfähig ist. In den Prüfungsordnungen ist deshalb vorgesehen, dass der Prüfling seine Prüfungsunfähigkeit durch ein Amtsärztliches Attest oder Ärztliches Attest gegenüber der Prüfungsbehörde darlegt und beweist.

Da die Prüfungsbehörde (im Streitfalle anschließend das Gericht) auf der Grundlage der ihr vorliegenden Erkenntnisse darüber entscheidet, ob der Prüfling prüfungsunfähig war, muss das nach der Rechtsprechung und der herrschenden Literatur das (amts-)ärztliche Attest eine klare Diagnose beinhalten, d.h. das (amts-)ärztliche Attest muss die gesundheitliche Beeinträchtigung/das Krankheitsbild des Prüflings konkret beschreiben (teilweise wird von der Rechtsprechung gefordert, dass die Krankheitssymptome und Auswirkungen anzugeben sind, die sich aus der Beeinträchtigung/dem Krankheitsbild für das Leistungsvermögen in der konkreten Prüfung ergeben). Ausführungen auf dem (amts-)ärztlichen Attest, dass eine „Prüfungsunfähigkeit aufgrund einer akuten Gesundheitsstörung vorliegt“ erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Deshalb ist hier größte Sorgfalt geboten und der ausstellende Arzt gegebenenfalls auf diese Besonderheit des Prüfungsrechts hinzuweisen.

5. Unverzüglichkeit der Krankmeldung und Abgabe des ärztlichen Attestes

Der Prüfling ist regelmäßig auch verpflichtet „unverzüglich“  den Rücktritt von der Prüfung zu erklären. Nach der Rechtsprechung der Gerichte ist eine Rücktrittserklärung nur dann „unverzüglich“, wenn sie ohne schuldhaftes Zögern abgegeben wurde, also zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt, zu dem sie zumutbarerweise hätte erwartet werden können.

Kommt der Prüfling, Student, Schüler, Auszubildende usw. diesem Erfordernis nicht nach, dann kann ein wirksamer Rücktritt unter Umständen bereits ausgeschlossen sein und die Prüfungsbehörde lehnt diesen ab. Der Prüfling darf dann die Prüfung nicht mehr wiederholen.

Der Prüfling muss folglich das Prüfungsamt von dem Vorliegen dieser Gründe überzeugen. Dafür muss er grundsätzlich ein (amts-)ärztliches Attest beim Prüfungsamt vorlegen, welche gerne als Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung bezeichnet wird.

Probleme ergebe sich nicht nur im Zusammenhang mit der Frage, wann und, ob eine solche Prüfungsunfähigkeit gegeben ist, sondern auch unter anderem hinsichtlich der Frage, wann eine solche Prüfungsunfähigkeit erklärt werden muss, wie es sich verhält, wenn der Prüfling Kenntnis von seiner Prüfungsunfähigkeit hatte/hätte haben müssen und welche Voraussetzungen an eine nachträgliche Prüfungsunfähigkeit zu stellen sind.

6. Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung, Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit

An manchen Hochschulen und Universitäten wird von dem Prüfling, Student oder die Studentin verlangt, dass (auch) eine Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung oder Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit beim Prüfungsamt, Prüfungssekretariat usw. innerhalb einer bestimmten Frist (meistens einige Tage) einreicht wird. Deshalb sollte der Prüfling sich immer in der Prüfungsordnung vergewissern und dort nachschauen und prüfen, ob die jeweilige Hochschule, Universität oder Prüfungsbehörde die Einreichung einer solchen Prüfungsunfähigkeitsbescheinigung oder Bescheinigung über die Prüfungsunfähigkeit verlangt. Wenn ja, dann gibt es bei den Hochschulen, Universitäten und Prüfungsbehörden fast immer Formulare, Muster und Vordrucke hierfür zum downloaden. Diese sollte man dann verwende und fristgerecht (mit dem ärztlichen Attest) einreichen.

7. Ausnahmefall – Nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit

Ein Rücktritt von einer Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit muss  grundsätzlich nach der Rechtsprechung, unverzüglich und bis allerspätestens vor dem Zeitpunkt der Ergebnisbekanntgabe erfolgen. Nach der Ergebnisbekanntgabe ist damit ein Rücktritt grundsätzlich ausgeschlossen. Die Rechtsprechung will damit, vor dem Hintergrund der Chancengleichheit und des  Gleichbehandlungsgrundsatzes, verhindern, dass der Prüfling abwartet, ob er die Prüfung bestanden hat und wenn er die Prüfung nicht bestanden hat, sich auf die Prüfungsunfähigkeit beruft und damit möglicherweise einen weiteren Prüfungsversuch erhält.

Ausnahmsweise und unter Vorliegen bestimmte Umstände, ist in Einzelfällen jedoch auch ein nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit möglich.

So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 14.07.2020 (AZ: 7 ZB 18.1248) festgestellt, dass auch noch nach der Ergebnismitteilung ein nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit ausnahmsweise möglich ist:

„Die Klägerin studiert seit 2013 bei der Beklagten im Bachelor-Studiengang Wirtschafts- und Organisationswissenschaften. Am 8. Januar 2016 legte sie die zweite Wiederholung der streitgegenständlichen Modulprüfung Rechnungswesen ohne Erfolg ab. Daraufhin teilte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 29. Februar 2016 mit, dass sie ihren Prüfungsanspruch nach § 13 Abs. 1 der Allgemeinen Prüfungsordnung für die universitären Bachelor- und Masterstudiengänge der Universität der Bundeswehr München vom Oktober 2011 (ABaMaPO) verloren habe. Sie habe sowohl die Modulprüfung Rechnungswesen als auch die Bachelorprüfung endgültig nicht bestanden. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 8. April 2016, bei der Beklagten am 9. April 2016 eingegangen, erhob sie hiergegen Widerspruch, erklärte gleichzeitig ihren Rücktritt von der Modulprüfung Rechnungswesen und begründete diesen damit, dass sie unerkannt prüfungsunfähig gewesen sei. Sie legte eine ärztliche Bescheinigung vor. Die Beklagte erkannte den Rücktritt der Klägerin von der Modulprüfung Rechnungswesen nicht an (…).

a) Das Verwaltungsgericht kommt in der angefochtenen Entscheidung zum Ergebnis, dass die Klägerin unter Beachtung des ihr von der Beklagten vorgegebenen Prozedere nachweisen konnte, dass sie im Zeitpunkt der Prüfung Rechnungswesen (8.1.2016) prüfungsunfähig war und dies erst nach Beginn ihrer Psychotherapiesitzungen im März 2016 erkennen konnte. Zur Begründung dieser Überzeugung stützt es sich insbesondere auf die Stellungnahme des Oberfeldarztes Dr. L. (v. 2.3.2017) und dessen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 24. April 2018 sowie auf die Atteste der Psychologin C.L. (v. 16.3.2016), bei der die Klägerin in psychotherapeutischer Behandlung war.

b) Die Klägerin konnte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 8. April 2016 wirksam von der bereits abgelegten Modulprüfung Rechnungswesen zurücktreten. Der nachträgliche Rücktritt von einer Prüfung ist unverzüglich zu erklären. Dieses Erfordernis gründet in dem berechtigten Anliegen, der missbräuchlichen Erlangung eines Vorteils vorzubeugen und der Prüfungsbehörde zu ermöglichen, den Sachverhalt möglichst zeitnah aufzuklären. Unverzüglichkeit bedeutet dabei „ohne schuldhaftes Zögern“. Das heißt, dass der Rücktritt zum frühestmöglichen Zeitpunkt erklärt werden muss. Im Fall einer unerkannten Prüfungsunfähigkeit ist dies der Moment, in dem diese erkannt wird“.

Es kann also auch in absoluten Ausnahmefällen und bei Vorliegen besonderer Umstände ein nachträglicher Rücktritt von einer Prüfung bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit möglich sein.

Unsere Spezialisierung und Erfahrung – Ihr Vorteil!

Aufgrund langjähriger Erfahrungen und einer Vielzahl von deutschlandweit erfolgreich geführten Verfahren, verfügen wir über eine ausgewiesene Expertise im Prüfungsrecht. Wir vertreten Sie gerne deutschlandweit. Aufgrund des Sitzes unserer Kanzlei in Köln und der örtlichen Nähe zu einer Vielzahl von großen und bekannten Hochschulen und Universitäten sowie Städten u.a. Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Duisburg, Bochum, Wuppertal, Bielefeld, Bonn, Münster, Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Aachen, Krefeld, Oberhausen, Hagen, Hamm, Mülheim an der Ruhr, Leverkusen, Solingen, Herne, Neuss, Paderborn, Bottrop, Recklinghausen, Remscheid, Bergisch Gladbach, Moers, Siegen, Witten, erfolgt der größte Anteil der von uns durchgeführten Prüfungsanfechtungen in Nordrhein-Westfalen.

Sie haben Fragen zur Prüfungsunfähigkeit wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen? Dann sprechen Sie uns gerne an. Rechtsanwalt Dr. Winkler ist auf Prüfungsrecht spezialisiert. Wir beraten Sie umfassend und helfen Ihnen Ihre rechtlichen Interessen geltend zu machen.

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